Hinter der Hecke die grüne Oase. Der Kleingarten als Heterotopie im urbanen Raum.

Kleingarten, Schrebergarten und Laubenkolonie
Ein Kleingarten – oft auch Schrebergarten genannt – ist ein kleines eingezäuntes Grundstück, das man für Geld vertraglich mieten oder auch kaufen kann. Oft liegen mehrere dieser „Gärten“ nebeneinander, so dass man in diesem Fall von einer Garten- oder auch Laubenkolonie spricht. Laubenkolonie deshalb, weil nahezu jeder Kleingarten über ein Gartenhaus verfügt, das im allgemeinen Sprachgebrauch als Laube bezeichnet wird. 

Kleingärten sind im Ruhrgebiet weit verbreitet. Oft findet man sie am Stadtrand, entlang von Bahnstrecken oder zwischen Industriegebieten. Während Kleingärten heute vor allem der Erholung dienen, waren diese bis nach den 2. Weltkrieg für viele Familien geradezu überlebenswichtig. Es wurde Obst und Gemüse angebaut, was seinerzeit nur begrenzt verfügbar war. 

Kleingartenordnung
Heute sind Gartenkolonien in Vereinen organisiert. Ein solcher Kleingartenverein vermietet die Gärten und regelt darüber hinaus das Miteinander der Kleingärtner*innen. Die Nutzung der Gärten wird über die sogenannte Vereinssatzung bestimmt. Interessanterweise ist es auch heute noch so, dass ein Kleingarten nach wir vor zu mindestens einem Viertel mit Gemüse und Obst zu bewirtschaften ist. Wer einen Kleingarten sein Eigen nennt, ist zudem verpflichtet, sich gewissenhaft darum zu kümmern, den Rasen  regelmäßig zu mähen und Unkraut zu jäten. Allerdings nicht zu jeder Tageszeit, denn es gilt die sogenannte Mittagsruhe. Apropos Ruhe: Es ist untersagt, mehr als drei Nächte hintereinander im Garten zu verbringen. Wie man sieht, gibt es eine ganze Reihe an Bedingungen und Regeln rund um den Kleingarten, und Verstöße gegen die Satzung können mitunter sogar zum Ausschluss aus dem Verein und letztlich zum Verlust des Kleingartens führen.

Der typische Kleingarten

Die Bebauung des Kleingartens richtet sich nach den Regeln des jeweils zuständigen Gartenbauvereins. Wenn man jetzt an einen Kleingarten denkt, kommt den meisten sofort ein Ort voller schöner Blumen, das Geräusch eines Rasenmähers oder der typisch „deutsche “Nachbarschaftsstreit um die Hecke in den Sinn. Aber es kann auch ein sehr familiärer Ort sein, wo man neue Freundschaften schließt. 

Ein Kleingarten umfasst ein kleines Gebäude, dass man Laube nennt. Hinzu kommt der eigentliche Gartenbereich mit Platz für eine Terrasse oder einen Grillbereich. Typisch ist eine große Wiese, auf der man zum Beispiel einen Pool aufbauen kann oder wo die Kinder spielen, mit einem Beet an der Seite, wo Gemüse und Obst angebaut werden. Zu der Laube führt oftmals ein kleiner Steinweg, wo ein kleines längliches Beet für Blumen angelegt ist. Laut der Vereinsregeln muss der Garten zu einem Viertel mit Gemüse und Obst besetzt sein. Von dem Anbau der Pflanzen und den Vereinsregeln her, hat man die Verantwortung, sich um den Garten zu kümmern, wie den Rasen zu mähen oder Unkraut zu jäten. 

Der Garten als Heterotopie
Für viele Kleingärtner*innen bedeutet der Garten eine Flucht aus dem Alltag. Der Garten funktioniert in diesem Fall als privater (Rückzugs-)Ort und er dient vor allem der Erholung im Grünen. Ungestörtes Grillen oder ein geschützter Platz für die Kinder? Der Kleingarten bietet in diesem Zusammenhang genau jene Möglichkeiten, die durch den wachsenden Bedarf an Wohnraum – vor allem in den Großstädten – verloren gegangen sind. Der französische Philosoph Michel Foucault hat den Garten zudem als eine der ältesten Formen von Heterotopien beschrieben. Heterotopien sind nach seiner Auslegung Orte, die nach eigenen Regeln funktionieren und oft gesellschaftliche Normen reflektieren, diese bewusst missachten oder auch umkehren. Es sind also Räume, die sich von unserer „normalen“ Umgebung abheben und eine Art „Gegenwelt“ darstellen. Der Kleingarten stellt insofern eine Gegenwelt dar, als dass hier der Versuch unternommen wird, „paradiesische Zustände“ zu schaffen. Zugleich ist der Kleingarten Ausdruck der Kreativität und Individualität seiner Besitzer*innen. Durch die Auswahl von Pflanzen, Farben und Gestaltungselementen kann jeder seinen persönlichen Stil verwirklichen. Und zwar in einem Ausmaß, wie es der öffentliche Raum an sich nur (noch) selten zulässt. Der Aspekt der Umkehr gesellschaftlicher Normalität besteht zudem darin, dass durch die Möglichkeiten der Selbstversorgung, der für uns selbstverständliche Konsum kommerziell vor- und fertigproduzierter Lebensmittel aufgehoben werden kann.

Mit Foucault lässt sich zusammenfassend sagen, dass Kleingärten die Ideen, Wünsche und Sehnsüchte der Menschen an einem Ort zusammenbringen können. Als kleine „ideale“ Welten erfüllen Kleingärten eine ganze Reihe an Funktionen, die – und das macht es interessant – weit über das Motiv der Erholung hinausgehen, indem sie das imaginäre und reale in unserer Lebenswelt zusammenbringen. 

Text: Charline Wolsbeck
Bild/Grafik: Charline Wolsbeck