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Sehnsucht nach Zukunft

Der Aufbruch ins Unbekannte. Das Zurücklassen von Sicherheit. Die Suche nach sich selbst.

Sehnsucht ist ein vielseitiger Begriff und sie kann Teil jedes Lebensbereiches sein.  Sie kann fungieren als Motivation für die Bildung von Subkulturen oder Bewegungen, welche meist durch eine Sehnsucht nach Veränderung angetrieben werden. Sie kann auch den ersten Auszug aus dem Elternhaus betreffen, was für die meisten momentan ein sehr relevantes Thema ist und einen sehr bedeutenden Lebensabschnitt darstellt. Sie umfasst eine fundamentale räumliche sowie emotionale Bewegung und Veränderung.

Dabei spielt Sehnsucht eine bedeutende Rolle, auch wenn nicht so, wie man vielleicht zunächst vermuten würde. Hier überwiegt nicht das Herbeiwünschen von Sicherheit und Vertrauen, sondern das Streben nach dem Unbekanntem und Unentdecktem, welches einen dazu verleitet, die Sicherheit der Eltern zurückzulassen und sich auf den eigenen Weg zu begeben.

Sehnsucht nach Unabhängigkeit

Viele junge Erwachsene sehnen sich irgendwann nach Eigenverantwortung und einer Abgrenzung von den Eltern und schließlich ist es auch die gesellschaftliche Norm, dass man, wenn man um die 20 Jahre alt ist, irgendwann in eine eigene Wohnung umzieht. Meistens ist dies verbunden mit großer Vorfreude und wird angesehen als der Start des eigenen Lebens, da man endlich auf seinen eigenen Beinen steht. Zudem bedient es den Wunsch danach, eigene Entscheidungen zu treffen und sein eigenes Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Man findet endlich die passende Wohnung, packt alle seine Sachen und dann geht es doch schneller als gedacht, bevor man allein in seiner eigenen Wohnung steht. Oft fangen hier jedoch Zweifel an. War es das Richtige? War es der richtige Moment? Stehe ich immer noch zu meiner Entscheidung? Schaffe ich das überhaupt alles?

Plötzlich kann es sich so anfühlen, als wäre man gar nicht bereit für den Weg, den man sich gebaut hat. Selten ist man so kurzfristig so enorm sich selbst und vielleicht auch dem Gefühl der Einsamkeit ausgesetzt. Eine Möglichkeit, um dem entgegenzuwirken, ist die Gründung einer WG. Auf die Weise kann man sich mit Gleichgesinnten, welche sich im gleichen Lebensabschnitt befinden, zusammentun und zusammen herausfinden, wie das mit dem Leben denn überhaupt so funktioniert.

Sehnsucht nach persönlicher Entwicklung

Oft ist der erste Auszug auch verbunden mit dem Drang, Neues zu erleben und zu lernen. Der Einzug in die eigene Wohnung bringt eine riesige Entwicklung auf verschiedenen Ebenen mit sich. Einerseits lernt man, für sich selbst und sein Verhalten Verantwortung zu übernehmen. Man lernt seine eigenen Grenzen kennen sowie das Setzen eigener Grenzen und das Entfalten der eigenen Identität. Andererseits kann man auch stärker denn je mit seinen eigenen Dämonen konfrontiert werden. Man hat nicht jederzeit jemanden um sich herum, welcher einem vielleicht gut zuredet oder einen in den Arm nimmt.

Es gibt viele Leute, die damit gut umgehen können und sich wohl fühlen in dem Space, der nur ihnen gehört. Allerdings gibt es auch genug, die eben damit Probleme haben. Am Ende ist alles ein Prozess, in welchem man nie aufhört zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

Sehnsucht nach beruflicher Verwirklichung

Ein großer Teil in dem Lebensabschnitt ist auch der kommende Abschluss der Schule und die Aufnahme in die Berufswelt. Auch dies ist ein neues Gebiet, auf dem man keine Erfahrung hat und auf den man nur begrenzt durch voriges Wissen vorbereitet ist. Die Entscheidung, wie man denn den Rest seines Lebens verbringen will, kann enorm viel Stress und Druck erzeugen. Trotzdem kann dies auch ein starker Antrieb sein, wenn man denn klare Ziele hat, auf die man hinarbeitet. Manchmal hilft es, wenn man im Kopf behält, dass wir alle das Leben zum ersten Mal leben. Keiner weiß genau, was denn jetzt richtig und was falsch ist. Wir alle lernen, indem wir ausprobieren und dann anhand der Erfahrungen neues ausprobieren, um wieder dazuzulernen. Außerdem kann man seine berufliche Richtung später noch anpassen. Nichts ist in Stein gemeißelt. Deswegen sollte man darauf hören, was einem logisch erscheint und was sich richtig anfühlt. Am Ende ist man selbst die Person, die mit den eigenen Entscheidungen leben muss und entweder darunter leidet oder damit thrived.

Sehnsucht nach Veränderung

Manchmal ist das Streben nach Veränderung oder einem Neuanfang so groß, dass es egal ist, ob die Veränderung am Ende positiv oder negativ ist. Es kann sein, dass man sich fühlt, als würde alles um einen herum stillstehen und man nichts dringender möchte, als aus diesem Kreislauf auszubrechen. Es kommt häufiger, als man zuerst vermutet vor, dass etwas zuerst schlechter werden muss, damit es wieder besser als zuvor wird. Alles im Leben ist ein Prozess und dieser hat nun mal seine Höhen und Tiefen und das ist auch richtig so. Beim Versuch, etwas zu verändern, sollte man sich nicht vom ersten Rückschlag einkriegen lassen, sondern es weiter versuchen mit neuen Ansätzen, Versuchen und Ideen. Man sollte nie die Erwartung haben, dass etwas sofort so laufen wird, wie man es gerne hätte. Dinge brauchen Arbeit. Am Ende zahlt sich diese aber auch wieder aus, solange man lange genug durchhält, um an diesen Punkt zu kommen.

Sehnsucht nach zu Hause

Meist ist Sehnsucht als Auslöser sehr ambivalent, da man sich einerseits nach Neuem, Aufregendem und nach Unabhängigkeit sehnt, aber auf der anderen Seite auch nach Sicherheit, Geborgenheit und Vertrautheit. Wenn man beim Bestreiten des Weges in die eigene Kraft kommt, lässt man zunächst weiteres hinter sich. Dies kann schnell zu Heimweh führen, wenn man sich verloren in seiner eigenen Anwesenheit fühlt. Selbst wenn man nicht viel Kontakt zu seiner Familie in der Vergangenheit hatte, wusste man dennoch immer, dass sie sich nur in einem Zimmer weiter befinden und man immer die Möglichkeit hätte, zu ihnen zu kommen. Selbst wenn es nur unbewusst war, führt das zu einem gewissen Maß an Sicherheit und wenn das dann auf einmal einfach weg ist, kann man dieses vertraute Gefühl schnell vermissen. Zudem verliert man vertraute Strukturen. Das ehemals gemeinsame Frühstück, welches plötzlich dazu wird, dass man allein am Tisch sitzt und auf leere Stühle starrt. Die gelegentlichen Gespräche, wenn man sich über den Weg läuft, die nun fehlen. All die Geräusche eines belebten Hauses, welche von einen auf den anderen Tag verschwinden.

Es ist eine riesige Umstellung. Man muss lernen, den gesamten Haushalt zu übernehmen, sich um seine Umgebung und sich selbst zu kümmern. Dabei lernt man einiges über sich selbst, wofür man vielleicht gar nicht bereit war. Am Anfang kann es sehr schwer erscheinen, allerdings sollte man auch nicht die ganzen positiven Seiten vergessen. Nun kann man selbst entscheiden, wie man diese Wohnung zu einem Zuhause machen möchte und das ist einer der wichtigsten Bestandteile. Lernen, sich selbst eine Umgebung zu schaffen, in der man nicht nur leben, sondern sich geborgen und aufgehoben fühlt. Am Ende ist es der Ort, an dem man abends zurückkehrt und welcher einem Zuflucht und eben Sicherheit geben sollte. Eine kahle, leere Wohnung in einen Rückzugsort zu verwandeln, passiert auch nicht vom einen auf den anderen Tag.

Schnell kann man die Illusion bekommen, als hätte man sein gesamtes altes Leben hinter sich gelassen und wäre völlig auf sich allein gestellt, doch das muss nicht so sein. Man kann weiterhin den Kontakt nach zu Hause pflegen und auch mal seine Eltern und Freunde und neue Bekannte zu sich einladen, um eben die Umgebung zu schaffen, die einem selbst am besten erscheint.

Natürlich gibt es auch Situationen, in denen die Eltern nicht Teil des optimalen Umfeldes sind, und auch das ist völlig okay und in einigen Fällen auch wichtig so. Deine Eltern werden immer deine Eltern bleiben, aber das gibt keine feste Beziehung vor. Falls man merkt, dass der Kontakt einem schadet oder einen zurückhält, dann kann man auch den Kontakt unterbinden oder so beschränken, wie man selbst damit eben gut klarkommt. Du selbst bist der wichtigste Mensch in deinem Leben. Du darfst und solltest Grenzen setzen und dafür sorgen, dass du dich mit Menschen umgibst, welche deine Bedürfnisse respektieren. Das sollte ebenfalls auf die Eltern zutreffen. Auch wenn sie dich ins Leben gesetzt haben und dich großgezogen haben, schuldest du es ihnen nicht, dass du weiterhin ständig unter ihnen leidest. Trotzdem sollte man bedenken, dass es nie schwarz oder weiß ist. Man selbst hat die Kontrolle, den Kontakt so zu dosieren, dass man seine Eltern zum Beispiel an seinem Leben teilhaben lässt, aber gleichzeitig nicht so intensiven Kontakt pflegt und etwas auf Abstand bleibt. Man wird seine Eltern in 99% der Fälle nicht ändern können und sollte an der Hoffnung daran nicht festhalten. Dafür kann man selbst entscheiden, wie man mit der gegebenen Situation umgehen möchte. 

Da dies ein sehr subjektives Thema ist, muss man schauen, was einem selbst am besten tun würde. Allerdings gibt es Millionen an Menschen, die gerade in der exakt gleichen Situation sind. Man ist nie allein mit den Problemen. Es könnte helfen, wenn man sich online mit anderen zu dem Thema austauscht. Ob es andere kurz vorm Ausziehen sind, welche gerade vielleicht die gleichen Zweifel haben, oder Personen, die schon vor längerem ausgezogen sind und ihre Erfahrungen teilen können. Diese Menschen könnten einiges an Druck und Befremdlichkeit rausnehmen. Zudem kann es helfen, zu Journalen und einfach seine Gedanken aufzuschreiben. So kann man vielleicht selbst schon merken, dass die Sorgen, die einen plagen, vielleicht gar nicht gerechtfertigt sind, und dass man eigentlich viel entspannter sein könnte. Außerdem kann diese riesige Bewegung einiges in einem auslösen und das Auseinandersetzen mit sich selbst kann unfassbare Klarheit schaffen.

Es geht nicht darum, dass nie Probleme auftreten und man nicht damit strugglen dürfte, sondern darum, wie man damit umgeht, und dass man weiter macht. Das ist immer leichter gesagt als getan, aber nie unmöglich. Die Gesellschaft zwingt einen gerne zu Erwartungen, dass man mit Mitte Zwanzig schon sein ganzes Leben fertig geplant und alles im Griff haben muss, aber das ist nicht so. Du selbst lebst dein Leben in dem Tempo, dass dir selbst am besten tut. Dein Alter legt nicht fest, in welchem Lebensabschnitt du dich befinden musst, und es zeigt auch nicht, wie reif und erfahren du als Person bist. Zu leicht verliert man sich in den Gedanken über all die Dinge, die man noch erreichen könnte, und die man alle noch schaffen könnte, sodass man vergisst, einen Moment innezuhalten und darauf zu schauen, was man denn alles schon erreicht hat. Niemals sollte man seine Errungenschaften als selbstverständlich ansehen und da ist es egal, ob andere das tun oder ob es als gesellschaftliche Norm zählt. Die einzigen Erwartungen, die zählen und wichtig sind, sind die eigenen. Und auch hier is es vollkommen okay, wenn man diese mal nicht erfüllt.

Die einzige Aufgabe, die du als Mensch hast, ist irgendwann am Ende zu stehen und auf dein Leben zurückzuschauen. Im besten Fall mit möglichst wenig Entscheidungen, die du bereust, aber sie zeigen auch, dass man gelebt hat. Das Leben ist messy. Das ist so und das soll auch so sein. Verlier dich nicht in Zweifeln und Sorgen. Lebe ein Leben, auf das du zurückschauen möchtest. Lebe, um dich selbst glücklich zu machen. Lebe, um zu lernen zu wachsen und immer mehr du selbst zu werden.

Quellen:

https://www.zeit.de/zett/2016-10/ich-will-wieder-zu-mama-wenn-studierende-ploetzlich-heimweh-bekommen

https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2018-07/sehnsucht-eltern-kinder-auszug-loslassen

https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-91547-0_8

https://www.urbia.de/forum/18-trauer-trost/5820256-starkes-heimweh-nach-dem-auszug
https://www.gutefrage.net/frage/heimweh-nach-auszug-von-zu-hause

Persönliche Erfahrungen, sowie aus dem Umfeld

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