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Sammelfieber – hoch ansteckend!

Jeder hat schon einmal irgendetwas gesammelt, egal ob Muscheln aus jedem Urlaub, Sticker für das Rewe-Stickeralbum oder sogar Bücher einer beliebten Fantasy Welt. 
Auf den ersten Blick wirkt Sammeln wie ein merkwürdiges Hobby. Auf den zweiten Blick zeigt es aber etwas Faszinierendes: Sammeln ist ein tief menschliches Verhalten, was mehr über uns verrät, als man denkt.  
 
Sammeln beginnt oft unbewusst. Man findet etwas schön, interessant oder ungewöhnlich – und ehe man sich versieht, hat man zehn Exemplare davon. Unser Gehirn liebt nämlich Ordnung. Es mag Reihen, Muster und Systeme. Wenn man Dinge in Kategorien sortiert, fühlt sich das erstaunlich befriedigend an. Eine Sammlung ist wie eine kleine, überschaubare Welt, in der alles Sinn ergibt – ganz anders als das Chaos, das Schule, Alltag oder Emotionen manchmal mit sich bringen. Besonders dieses Gefühl, eine Reihe zu vervollständigen, sorgt für eine Art inneren Triumphmoments. Jeder kennt dieses Kribbeln: „Ich brauche nur noch das letzte Teil…“ Dieses Glücksgefühl ist nicht eingebildet, sondern biologisch. Unser Gehirn schüttet Dopamin aus, ein Hormon, das sich nach Belohnung anfühlt. Genau dieser kurze Dopamin-Kick ist ein Grund, warum Sammeln so süchtig machen kann – aber auf eine harmlose, oft sogar positive Weise. 
 
Dass Sammeln sich so gut anfühlt, hat auch einen evolutionären Ursprung. Unsere Vorfahren mussten ständig Dinge finden, aufbewahren und organisieren: Nahrung, Beeren, Feuersteine, später Waffen oder Werkzeuge. Der „Jagdinstinkt“ des Findens existiert in uns also schon ewig, nur dass wir heute keine Mammuts mehr jagen, sondern limitierte Sammelfiguren oder schöne Kristalle. Der Mechanismus dahinter ist aber derselbe: Etwas Neues zu finden, bedeutet Erfolg. 
 
Doch Sammeln hat nicht nur mit Glücksgefühlen zu tun, sondern auch mit Erinnerungen. Viele Menschen sammeln Dinge, die sie an besondere Momente erinnern – Muscheln aus dem Sommerurlaub, alte Eintrittskarten, Briefe, Fotos oder kleine Gegenstände aus der Kindheit. Diese Dinge sind wie physische Erinnerungen, die man anfassen kann. Sie bewahren den Moment, die Stimmung oder sogar Menschen, die einem wichtig sind. Wenn man später durch seine Sammlung geht, fühlt man sich oft sofort in eine bestimmte Zeit zurückversetzt. Sammeln ist also auch eine Art, Erinnerungen zu konservieren. 

Für manche ist das Sammeln sogar eine Form von Stressabbau. Dinge zu sortieren, anzuordnen oder einen guten Platz dafür zu finden, kann unglaublich beruhigend wirken. Es gibt Menschen, die in chaotischen Zeiten besonders viel sammeln oder ordnen, weil es ihnen hilft, innere Ruhe zu finden. Das kann besonders bei Jugendlichen zutreffen, die mit Schule, sozialen Erwartungen oder Leistungsdruck zu kämpfen haben. Eine Sammlung gibt ihnen ein Gefühl von Kontrolle und Struktur. Es ist etwas, das nur ihnen gehört und das niemand durcheinanderbringen kann. 

Ein weiterer Grund, warum wir so gerne sammeln, ist die Identität. Was wir sammeln, sagt oft etwas über uns als Person aus. Es zeigt, was wir mögen, wofür wir uns begeistern, was uns inspiriert oder bewegt. Manche zeigen ihre Sammlung stolz anderen, manche hüten sie wie einen Schatz. Aber in beiden Fällen ist die Botschaft dieselbe: „Das hier bin ich.“ Sammeln kann ein Ausdruck der eigenen Persönlichkeit sein – und eine Möglichkeit, sich selbst besser zu verstehen.  
Dazu kommt, dass Sammeln Menschen miteinander verbindet. Wer sammelt, findet schnell Gleichgesinnte. Man trifft sich auf Flohmärkten, online in Gruppen oder in der Schule – und plötzlich entsteht eine Gemeinschaft, in der man sich verstanden fühlt. Es ist ein schönes Gefühl, wenn jemand dieselbe Begeisterung teilt oder vielleicht sogar das lang ersehnte Tauschobjekt hat.  
 
Viele fragen sich, ob Sammeln vererbt wird. Tatsächlich ist es häufig so, dass Kinder das Sammelverhalten ihrer Eltern übernehmen – aber nicht, weil es genetisch wäre. Kinder beobachten ihre Eltern ständig, oft, ohne es zu merken. Wenn Mama oder Papa begeistert Sammlerstücke kaufen, sortieren oder pflegen, sehen Kinder, wie viel Bedeutung und Freude dahintersteckt. Sammeln wird dadurch zu etwas Wertvollem, das man mit positiven Gefühlen verbindet. Manche Sammlungen werden sogar über Generationen weitergegeben. Was das Sammeln aber wirklich weiterträgt, ist das Ritual, die Begeisterung und die gemeinsamen Momente.  
 
Natürlich kann Sammeln auch seine Schattenseiten haben. Manche Menschen übertreiben es und geben zu viel Geld aus oder horten Dinge, die sie gar nicht mehr nutzen. Doch in den meisten Fällen ist Sammeln etwas Positives: Es macht glücklich, bringt Struktur, fördert Kreativität verbindet Menschen und bewahrt Erinnerungen. 

Am Ende zeigt Sammeln etwas sehr Menschliches: Wir möchten festhalten, was uns Bedeutung gibt. Dinge, die uns Freude machen. Dinge, die uns an gute Zeiten erinnern, Dinge, die uns zeigen, wer wir sind. Ob es Steine, Karten, Kerzen, Figuren oder etwas völlig anderes ist – Sammeln ist keine merkwürdige Angewohnheit, sondern ein kleiner schöner Teil unserer Persönlichkeit.  

Joana Lodder  

Quelle:

https://www.drsvensebastian.de/post/sammeln

Bild: Joana Lodder

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